Nach einer wahren Begebenheit und den Aufzeichnungen des Patienten Marco Ferrtereit.

 

ÜBER DEN ROMAN

Kurzexposé:

In einer skurrilen Klinik, die sich irgendwo zwischen einer utopischen und nur allzu realen Welt befindet, erlebt Marco den alltäglichen Wahnsinn aus Slapstick, unfreiwilliger Tragikomik, Schicksal, Trash und Therapie.

Da er als MS-Kranker zwischen lauter Depressiven und Burnout-Patienten keine für ihn adäquate Hilfe bekommt, verfällt er in eine Schockstarre. Erst eine Wunderpille in einem anderen Krankenhaus versetzt ihm den nötigen Tritt. In Notwehr greift er endlich zum Kuli und schreibt sich den gesammelten Frust von der Seele.

ISBN 9783738621938

Umfang: 528 Seiten im Format 13,5 x 21,5 cm

19,80 Euro

Das Taschenbuch kann man hier bestellen.

Der Roman ist zum Preis von 8,99 Euro hier auch als E-Book erhältlich. ISBN 9783739276311

Alexander Häusser, zweiter Vorsitzender des Literaturzentrums Hamburg, urteilte:

„Wild, schonungslos und zärtlich: Carsten Klooks Roman ‘Psychocalypse oder das Warten auf Fu‘ ist ein Ereignis! Auf über 500 Seiten erzählt der Autor die Geschichte des an MS erkrankten Marco Ferrtereit – seine ersten Krankheitssymptome, die Diagnose, die seelenlose Therapie in einem auf Profit ausgerichteten Gesundheitssystem, an der er zu zerbrechen droht. Doch Klook ist weit davon entfernt, ‘nur‘ eine Krankengeschichte zu erzählen. Messerscharf entlarvt er die Strukturen eines Systems, das allein auf das Funktionieren des Menschen ausgerichtet ist und dem ‘beschädigten‘ Individuum seine Selbstgewissheit und Selbstachtung nimmt. Das Buch sei ein "flammendes Plädoyer für das Vertrauen auf die eigene Wahrnehmung" heißt es im Geleitwort. Und so ist es. Ein Buch, das beweist, was gute Literatur kann: das Individuum retten. Ein Buch, das entdeckt werden muss!"

Kaitlin Roquel Yeomans schrieb ihre Master of Arts-Arbeit an der University of Oregon mit dem Titel „Disability as Epistemic Experience: Autofictional Representations of Disability in German and American Literature“ über meinen Roman PSYCHOCALYPSE im Vergleich zu einem amerikanischen Roman. Sie wählte ihn für ihre Arbeit aus, weil er "ein einzigartiger Roman deutscher Gegenwartsliteratur" sei.
https://scholarsbank.uoregon.edu/xmlui/bitstream/handle/1794/26164/Yeomans_oregon_0171N_12894.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Eine Besprechung des Buchs findet sich auch auf der Homepage der DMSG und in der Neurovision vom Januar 2016 (Seite 36 und 37).

Tide Radio hat meine Lesung im Literaturhaus mitgeschnitten.

Langexposé:

März 2012: Das Dimethylfumarat steht kurz vor der Zulassung als Basismedikation für Multiple-Sklerose-Patienten, jedenfalls behauptet das der US-amerikanische Biotechnologiekonzern Biogen Idec, der den aus der Dermatologie seit Langem bekannten Wirkstoff BG 12 in neuer Verkapselung unter neuem Namen auf den Markt bringen will. Über 130.000 MS-Patienten allein in Deutschland und zwei Millionen weltweit erhoffen sich dadurch einen besseren Schutz vor dem Fortschreiten ihrer gefährlichen Krankheit, da es bis zu 50 % der Schübe verhindern kann, ohne nennenswerte Nebenwirkungen zu produzieren. Aus Geldgier entfacht ein Kampf um die Patente, der die Zulassung verzögert. Für die Betroffenen heißt es Abwarten – und das, obwohl sie keinerlei Zeit zu verlieren haben, denn jeder Tag ohne Schutz vor Schüben ist ein gefährlicher Tag, der eventuell mit weiteren körperlichen Einschränkungen bezahlt werden muss. Nicht mehr richtig sehen können, nicht mehr gehen können, nicht mehr richtig fühlen können …

Die auf dem Markt befindlichen Medikamente haben nicht unerhebliche Nebenwirkungen. Die Einführung des neuen Medikaments wäre ein Neubeginn in der Behandlung dieser in ihrer Ursache noch immer nicht wirklich verstandenen, unheilbaren Krankheit. Die Zeitspanne zwischen Ankündigung des Medikaments und der tatsächlichen Zulassung auf dem Markt wird zu einer historisch wichtigen und heißen Phase. Ein Zeitraum, der für allerlei Erwartungen und Spannung sorgt und für einige Patienten zu einer Zerreißprobe wird.

Marco, der 2007 an einer Sehnerventzündung erkrankte und noch keine sichere MS-Diagnose erhielt, da er aufgrund seiner Klaustrophobie kein MRT machen konnte, bekommt im Mai 2012 zuerst eine Beinparese rechts und dann eine Beinparese auf der linken Seite. Damit ist sicher: Marco hat eine schubförmig remittierende Multiple Sklerose. Seine Gehstrecke beträgt jetzt nur noch 3.500 bis 4.000 Meter, mehr schafft er nun nicht mehr, ohne sich zwischendurch hinzusetzen. Im Universitätskrankenhaus rät man ihm, auf die Zulassung der Fumarsäure zu warten. Als das Medikament im Juli 2013 noch immer nicht erhältlich ist, entschließt Marco sich unter Ratschlägen von Ärzten, täglich Copaxone zu spritzen, weil er die Vorstellung nicht mehr erträgt, vor weiteren Schüben ungeschützt zu sein.

Ende Juli 2013 wird er im Urlaub, den er zusammen mit seiner langjährigen Freundin Ariane an der deutschen Ostseeküste verbringt, von plötzlich einsetzenden Panikattacken heimgesucht und muss sich in eine psychosomatische Klinik begeben. Verträgt er die Copaxone-Spritzen nicht, die er sich seit einem Monat täglich gibt? Bekommt er durch dieses Medikament heftige Depressionen und seltsame Anwandlungen, oder liegt das am neuen, süchtig machenden Schlafmittel?

In der Klinik am Stadtrand von Hamburg glaubt man ihm nicht, scheint die Zusammenhänge nicht zu (er)kennen und fährt stattdessen das Standardprogramm, mit dem alle seelisch Erkrankten dort behandelt werden. Man lässt ihn an aberwitzigen Gruppentherapien und einer mangelhaften ärztlichen Versorgung teilhaben. Wir schreiben nicht das Jahr 1905, sondern 2013. Die T-Gruppe hat vor einigen Jahren ehemals staatliche Krankenhäuser aufgekauft und privatisiert. In ihrer Monopolstellung sind die Kliniken eine Katastrophe fürs Gesundheitssystem. Mit schlecht ausgebildeten, unterbezahlten und überlasteten Fachkräften erwirtschaftet der Konzern jährlich einen Milliarden-Umsatz.

Marco gerät in die Fänge der sogenannten Sektorisierung und landet immer wieder bei denselben überforderten oder unfähigen Ärzten und Therapeuten der T-Gruppe, da für ihn im Stadtteil, in dem er lebt, kein anderes Klinikum zuständig ist. Irgendwann ist er so verunsichert, dass er sich sogar freiwillig dorthin zurückbegibt. Catch 22? Seine Gehstrecke hat sich inzwischen auf 800 bis 1.000 Meter verringert.

Während seines Aufenthalts verliebt sich Marco in eine Mitpatientin, was seinen inneren Druck und seine Zwangslage kurzfristig entlastet, dann aber noch verschlimmert. Wird Marco es schaffen, in seinem Kampf nicht nur gegen die Krankheit, sondern auch gegen uneinsichtiges und schlecht informiertes Fachpersonal seine Haut zu retten? Es geht Marco darum, der Fehlwahrnehmung der Therapeuten und Ärzte, die seine Lage nicht nur verkennen, sondern ihn daran zu hindern scheinen, dass er seinen Zustand mit anderen, ihnen unbekannten Mitteln verbessert, die zerbeulte Stirn zu bieten. Es geht nicht nur um Genauigkeit, sondern um Wahrheit und Manipulation. Die Klinik zeigt das hässliche Gesicht des Kapitalismus.

Ein spannender und erbitterter Kampf gegen normative Konventionen und die Vereinnahmung durch Ärzte, ein Ringen um menschliche Behandlung und Versorgung am Rande von suizidalen Tendenzen beginnt … eine post-postmoderne Abenteuergeschichte. Auf seiner Rundreise durch Kliniken und Krankenhäuser lernt Marco die seltsamsten Figuren und deren Schicksale kennen, die sich auf ähnliche Weise ihren Weg durch die Unbotmäßigkeiten des Lebens bahnen.

Gleichzeitig erzählt der Roman von Liebe jenseits des rein sexuellen Begehrens, vom langsamen Akzeptieren und sich Zurechtfinden in und mit einer schweren Krankheit, die ein neues Selbstverständnis und eine andere Sicht auf das Leben und die Welt erfordert. Ein slowcore-Trip jenseits allen Trends.

Der Roman zeichnet die Bewegungen der Abwehr auf Seiten der Therapeuten und der Patienten sowie Klischees der sogenannten Tiefenpsychologie detailliert nach. Der Roman ist nicht nur ein Exkurs über die Kräfte des Unterbewusstseins. Er ist auch die Geschichte einer Krankheitsverarbeitung und deren Hindernisse, die zu einer Reise durch den psychischen und körperlichen Gesundheitszustand einer Republik wird. Der Roman verbindet Kapitalismuskritik mit psychologischen und medizinischen Phänomenen, Einzel- mit Kollektivschicksalen, Kultur und Politik, Widerstand und schicksalshafte Krankheitsverläufe, schildert den Kampf um persönliche Freiheit. Ein flammendes Pladoyer für das Vertrauen auf die eigene Wahrnehmung.

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Buchtipp in der NEUROVISION Januar 2016 von Tanja Fuchs:

 

Psychocalypse oder Das Warten auf Fu

Wie fühlt es sich an, mit einer Krankheit zu leben, die eigentlich nicht sichtbar ist? Eine Krankheit,  die sich mitunter völlig unerwartet, manchmal mit bereits bekannten, manchmal mit noch unbekannten Symptomen zu erkennen gibt? Die meisten Menschen mit Multiple Sklerose könnten sicher eine Menge dazu sagen, ja ganze Bücher darüber schreiben. Carsten Klook hat es getan. Der Autor und Kulturjournalist, hin und wieder auch als Gitarrist unterwegs, lebt in Hamburg und ist selbst an MS erkrankt.

Im September 2015 erschien sein elftes Buch „Psychocalypse oder Das Warten auf Fu“. Darin erzählt Klook die Geschichte von Marco Ferrtereit, einem sensiblen Mann, Anfang 50, der mit einer instabilen Psyche, der Diagnose MS und so einigen damit verbundenen Konsequenzen zu kämpfen hat. So etwa mit dem Warten auf „Fu“, das vermeintlich verheißungsvolle MS-Medikament, dessen Zulassung sich immer wieder verzögert hatte. Gemeint ist natürlich der Wirkstoff Fumarsäure (Dimethylfumarat) und Klook übt hier durchaus Kritik an der Preispolitik von Pharmaunternehmen.

Die zunächst verschriebene, zu injizierende Therapie, setzt ihm nicht nur körperlich, sondern auch psychisch zu. Vor allem aber facht der Wirkstoff eine latent vorhandene Depression offenbar an und treibt Marco schließlich in die psychosomatische Station einer Klinik am Hamburger Stadtrand.

„Psychocalypse oder Das Warten auf Fu ist die Geschichte vom langsamen Akzeptieren und sich Zurechtfinden in und mit einer schweren Krankheit, die ein neues Selbstverständnis und eine andere Sicht auf das Leben und die Welt fordert. Ein slowcore-Trip jenseits allen Trends,“ heißt es im Vorwort des etwas über 500 Seiten starken Romans. Es ist ein umfangreiches Buch, das manchem Leser zu Beginn einige Seiten Geduld abfordern mag. Einmal reingekommen in die Geschichte, gelingt es aber schnell, sich zu identifizieren mit dem Antihelden Marco, der einen überaus interessanten Einblick in sein Inneres gewährt.
Menschen mit MS werden sich wiederfinden in Klooks Geschichte. So etwa, wenn er detailgenau beschreibt, wie es sich anfühlt, wenn alles kribbelt, wenn das Gehen immer schwieriger wird, weil man „das Gefühl hat, mit Betonklötzen an den Füßen durch dicke Tunke zu waten“ oder „die Extremitäten wirken, als wären sie mit Quark eingestrichen und danach eng bandagiert worden.“

Grübeln, analysieren, kritisch hinterfragen
Marco Ferrtereit ist ein Grübler und Beobachter. Er beobachtet sowohl andere als auch sich selbst. Er hinterfragt und analysiert. Vielleicht ein bisschen zuviel. Eben jenes permanente Analysieren und Hinterfragen seiner selbst, treibt den Protagnisten mitunter an den Rand des Wahsinns.

 

dass er bei allem, was er tat, immer auch das Gegenteil erwog und sich nie so recht sicher sei ...“

 

Manchmal traurig, oft auch komisch, nimmt er sich selbst und seine Umwelt auseinander, beschreibt auf ungewohnte und witzige Weise die skurrile Welt der Klinik mit Patienten, Pflegern und Therapeuten.

 

„Was sollte er nur tun mit dieser Kläranlage der Analytik, die da vor ihm saß, mit diesem schluckenden Boost an verblassenden Möglichkeiten, diesen therapeutischen Einheiten als Honigsmacks der Illusion? Die Stunde war beendet.“

 

Carsten Klooks Roman ist aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit unserem Gesundheitssystem, den Zuständen in Kliniken und dem Umgang mit psychisch kranken Menschen.


„Der Therapeut war nur ein kalter Spiegel, an dem Marco zerschellte … Allmählich beschlich den Patienten das Gefühl, er könne die Reaktionen des Einzeltherapeuten vorhersagen, da diese doch sehr schematisch und begrenzt waren, ja sogar einstudiert wirkten …“

 

So möchte der Autor seinen Roman auch als „flammendes Plädoyer für das Vertrauen auf die eigene Wahrnehmung“ verstanden wissen, die Patienten mit MS und insbesondere mit einer weniger stabilen Pysche manchmal abgesprochen wird.

Ein Stück Beständigkeit: die Beziehung
Gefangen zwischen Gedanken, Hoffnungen und Ängsten, ist Marco Ferrtereit sich selbst nicht immer sicher, ob er seiner Wahrnehmung vertrauen darf. Dabei belastet er nicht nur sich selbst, sondern auch die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin Ariane, die so einiges aushalten muss mit ihrem unbeständigen Nervenbündel Marco.

Eigene Erfahrungen
Wenn auch der Roman durchaus autobiografische Züge aufweist, ist Marco Ferrtereit eine frei erfundene Figur. Eine Figur, die Klook mit einem Übermaß an Selbstreflektion ausstattet. Damit sie sich in die unterschiedlichsten Menschen hineinversetzen, Gefühle, Gedanken und die daraus entstehenden eigendynamischen Prozesse in Worte fassen kann. Dabei lässt er seinen Protagonisten mitunter recht schräge und immer wieder komische Gedankenbilder entwickeln, die dieser manchmal selbst (noch) nicht versteht und spricht damit vielen aus der Seele, die diese Gefühle nur zu gut kennen. Menschen mit MS und Menschen, denen Menschen mit MS nahe stehen. Für diese Menschen, sagt Carsten Klook, habe er seinen Roman geschrieben. ‚Psychocalypse oder Das Warten auf Fu’ ist aber auch ein Buch für Menschen, die sich nicht vorschreiben lassen möchten, welche Gefühle sie hinsichtlich ihrer Erkrankung haben sollten. Die manchmal einfach sagen möchten: Heute geht es mir schlecht. Ich bin genervt von meiner Krankheit! Damit liefert Klooks Roman gleichzeitig eine Menge Erkenntnisse für solche Leser, die den Versuch unternehmen möchten, Menschen mit MS zu verstehen.

Die Kunst, genau hinzuschauen
Ganz sicherlich ist der Antiheld Ferrtereit, der sympathische Neurotiker, aber auch jemand, dem es besonders wichtig ist, seine kleinen und großen Malaisen zu pflegen. Der nicht anders kann, als ihnen Beachtung zu schenken. Eigentlich genau das, was das derzeit vielgepriesene Achtsamkeitstraining empfehlen würde. Vielleicht übertreibt der Protagonist es hier und da ein wenig. Wahrscheinlich versetzt diese ausgeprägte Aufmerksamkeit ihn überhaupt in die Lage, auch die Bedeutung der kleinen und schicksalshaften Erlebnisse zu erkennen. Erlebnisse, die mit den Menschen zusammenhängen, denen er begegnet oder wieder begegnet, die teilweise völlig neue Wendungen mit sich bringen und denen er, ohne die MS nie über den Weg gelaufen wäre.
Ganz sicher aber führt eben diese übertriebene Aufmerksamkeit, deren Ursprung im Kopf des Autors Carsten Klook zu finden ist, dazu, dass das Buch „Psychocalypse oder Das Warten auf Fu“ in dieser umfassenden Genauigkeit entstanden ist.

Tanja Fuchs